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Aktuelle Entscheidungen
Massenentlassungsanzeige muss Geschäftsführer berücksichtigen
EuGH vom 9. Juli 2015 – C-229/14, NZA 2015, 861
Art. 1 Abs. 1 lit. a) der Massenentlassungsrichtlinie steht der in § 17 Abs. 5 Nr. 1 KSchG getroffenen Regelung entgegen, bei der Berechnung der Zahl der Arbeitnehmer ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft unberücksichtigt zu lassen, das seine Tätigkeit nach Weisung und Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt, als Gegenleistung für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält und selbst keine Anteile an dieser Gesellschaft besitzt.
Der Entscheidung des EuGH lag ein Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Verden zugrunde. Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis mit Herrn Balkaya anlässlich einer Betriebsstilllegung gekündigt. Eine Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit hatte er nicht erstattet. Zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte der Arbeitgeber unstreitig 18 Arbeitnehmer. Hinzu kamen drei weitere Personen, deren Einordnung als Arbeitnehmer zwischen den Parteien streitig war. Bei zwei dieser Personen stellten sich Fragen des Unionsrechts. Zum einen betraf dies den Geschäftsführer, der keine Gesellschaftsanteile am Arbeitgeber hielt. Zum anderen betraf dies eine Praktikantin, deren Tätigkeit vom Jobcenter gefördert wurde. Das Arbeitsgericht Verden war der Ansicht, dass beide Personen bei der Bestimmung des Schwellenwerts zur Massenentlassungsanzeige nicht zu berücksichtigen seien. Es legte dem EuGH die Frage vor, ob dies mit der europäischen Richtlinie 98/59/EG („Massenentlassungsrichtlinie“) vereinbar sei.
Der EuGH verneinte dies. Sowohl der Geschäftsführer als auch die Praktikantin seien Arbeitnehmer im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie. Die Richtlinie wolle einen vergleichbaren Arbeitnehmerschutz in den verschiedenen Mitgliedstaaten herstellen. Daher müsse der Arbeitnehmerbegriff in Art. 1 Abs. 1 lit. a) der Massenentlassungsrichtlinie autonom ausgelegt werden, d.h. ohne Rücksicht auf die nationale Einordnung des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses. Das Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das gegen Entgelt Leistungen gegenüber der Gesellschaft erbringe, die es bestellt habe und in die es eingegliedert sei, das seine Tätigkeit nach Weisung und unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübe und das jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden könne, sei Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts.
Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff umfasse auch Personen, die einen Vorbereitungsdienst ableisteten oder in einem Beruf Ausbildungszeiten absolvierten, wenn diese Zeiten unter den Bedingungen einer tatsächlichen und echten Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis für einen Arbeitgeber nach dessen Weisung absolviert würden. Auf die Herkunft der zur Vergütung eingesetzten Mittel komme es nicht an. Bei der Bestimmung des Schwellenwerts zur Massenentlassungsanzeige müssten daher sowohl der Geschäftsführer als auch die Praktikantin berücksichtigt werden.
EuGH vom 9. Juli 2015 – C-229/14, NZA 2015, 861
Art. 1 Abs. 1 lit. a) der Massenentlassungsrichtlinie steht der in § 17 Abs. 5 Nr. 1 KSchG getroffenen Regelung entgegen, bei der Berechnung der Zahl der Arbeitnehmer ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft unberücksichtigt zu lassen, das seine Tätigkeit nach Weisung und Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt, als Gegenleistung für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält und selbst keine Anteile an dieser Gesellschaft besitzt.
Der Entscheidung des EuGH lag ein Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Verden zugrunde. Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis mit Herrn Balkaya anlässlich einer Betriebsstilllegung gekündigt. Eine Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit hatte er nicht erstattet. Zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte der Arbeitgeber unstreitig 18 Arbeitnehmer. Hinzu kamen drei weitere Personen, deren Einordnung als Arbeitnehmer zwischen den Parteien streitig war. Bei zwei dieser Personen stellten sich Fragen des Unionsrechts. Zum einen betraf dies den Geschäftsführer, der keine Gesellschaftsanteile am Arbeitgeber hielt. Zum anderen betraf dies eine Praktikantin, deren Tätigkeit vom Jobcenter gefördert wurde. Das Arbeitsgericht Verden war der Ansicht, dass beide Personen bei der Bestimmung des Schwellenwerts zur Massenentlassungsanzeige nicht zu berücksichtigen seien. Es legte dem EuGH die Frage vor, ob dies mit der europäischen Richtlinie 98/59/EG („Massenentlassungsrichtlinie“) vereinbar sei.
Der EuGH verneinte dies. Sowohl der Geschäftsführer als auch die Praktikantin seien Arbeitnehmer im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie. Die Richtlinie wolle einen vergleichbaren Arbeitnehmerschutz in den verschiedenen Mitgliedstaaten herstellen. Daher müsse der Arbeitnehmerbegriff in Art. 1 Abs. 1 lit. a) der Massenentlassungsrichtlinie autonom ausgelegt werden, d.h. ohne Rücksicht auf die nationale Einordnung des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses. Das Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das gegen Entgelt Leistungen gegenüber der Gesellschaft erbringe, die es bestellt habe und in die es eingegliedert sei, das seine Tätigkeit nach Weisung und unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübe und das jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden könne, sei Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts.
Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff umfasse auch Personen, die einen Vorbereitungsdienst ableisteten oder in einem Beruf Ausbildungszeiten absolvierten, wenn diese Zeiten unter den Bedingungen einer tatsächlichen und echten Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis für einen Arbeitgeber nach dessen Weisung absolviert würden. Auf die Herkunft der zur Vergütung eingesetzten Mittel komme es nicht an. Bei der Bestimmung des Schwellenwerts zur Massenentlassungsanzeige müssten daher sowohl der Geschäftsführer als auch die Praktikantin berücksichtigt werden.
Fahrten im Außendienst als Arbeitszeit
EuGH vom 10. September 2015 – C-266/14, BeckRS 2015, 81116
Die Fahrten, die Arbeitnehmer ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten Kunden des Tages zurücklegen, stellen Arbeitszeit dar.
In dem der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Fall ging es um das auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik tätige spanische Unternehmen Tico. 2011 schloss Tico seine Regionalbüros und wies alle Angestellten dem Zentralbüro in Madrid zu. Nach der Schließung der Regionalbüros mussten die bei Tico beschäftigten Techniker jeden Tag von ihrem Wohnort zu den Kundenstandorten und am Ende des Tages zurück an ihren Wohnort fahren. Die Techniker hatten demnach keinen festen Arbeitsort. Einen Tag vor ihrem jeweiligen Arbeitseinsatz erhielten sie einen Dienstplan mit den verschiedenen Standorten und Uhrzeiten ihrer Kundentermine. Das mit der Rechtssache befasste spanische Gericht („Audiencia Nacional“) legte dem EuGH die Frage vor, ob die Zeit, die die Techniker für die Fahrten zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten Kunden aufwenden, als Arbeitszeit im Sinne der europäischen Richtlinie 2003/88/EG anzusehen ist.
Der EuGH bejahte diese Frage. In der Richtlinie ist die Arbeitszeit als jede Zeitspanne definiert, während derer ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Jede Zeitspanne, die keine Arbeitszeit ist, gilt als Ruhezeit. Die täglichen Fahrten zwischen Wohnort und dem Standort des ersten und letzten vom Arbeitgeber bestimmten Kunden seien für Arbeitnehmer ohne festen Arbeitsort das notwendige Mittel, um an den Standorten der Kunden die geforderte Arbeitsleistung zu erbringen. Zudem stünden die Arbeitnehmer dem Arbeitgeber während der Fahrzeiten zur Verfügung. Arbeitgeber könnten die Arbeitnehmer bereits in dieser Zeit anweisen, die Kundenreihenfolge zu ändern oder Termine zu streichen bzw. hinzufügen. Die Arbeitnehmer hätten daher während der Fahrzeiten nicht die Möglichkeit, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihren eigenen Interessen nachzugehen.
EuGH vom 10. September 2015 – C-266/14, BeckRS 2015, 81116
Die Fahrten, die Arbeitnehmer ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten Kunden des Tages zurücklegen, stellen Arbeitszeit dar.
In dem der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Fall ging es um das auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik tätige spanische Unternehmen Tico. 2011 schloss Tico seine Regionalbüros und wies alle Angestellten dem Zentralbüro in Madrid zu. Nach der Schließung der Regionalbüros mussten die bei Tico beschäftigten Techniker jeden Tag von ihrem Wohnort zu den Kundenstandorten und am Ende des Tages zurück an ihren Wohnort fahren. Die Techniker hatten demnach keinen festen Arbeitsort. Einen Tag vor ihrem jeweiligen Arbeitseinsatz erhielten sie einen Dienstplan mit den verschiedenen Standorten und Uhrzeiten ihrer Kundentermine. Das mit der Rechtssache befasste spanische Gericht („Audiencia Nacional“) legte dem EuGH die Frage vor, ob die Zeit, die die Techniker für die Fahrten zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten Kunden aufwenden, als Arbeitszeit im Sinne der europäischen Richtlinie 2003/88/EG anzusehen ist.
Der EuGH bejahte diese Frage. In der Richtlinie ist die Arbeitszeit als jede Zeitspanne definiert, während derer ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Jede Zeitspanne, die keine Arbeitszeit ist, gilt als Ruhezeit. Die täglichen Fahrten zwischen Wohnort und dem Standort des ersten und letzten vom Arbeitgeber bestimmten Kunden seien für Arbeitnehmer ohne festen Arbeitsort das notwendige Mittel, um an den Standorten der Kunden die geforderte Arbeitsleistung zu erbringen. Zudem stünden die Arbeitnehmer dem Arbeitgeber während der Fahrzeiten zur Verfügung. Arbeitgeber könnten die Arbeitnehmer bereits in dieser Zeit anweisen, die Kundenreihenfolge zu ändern oder Termine zu streichen bzw. hinzufügen. Die Arbeitnehmer hätten daher während der Fahrzeiten nicht die Möglichkeit, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihren eigenen Interessen nachzugehen.